26.10.2011
Menschen orientieren ihre Aussagen oft an der Meinung der Mehrheit, selbst wenn sie insgeheim ganz anderer Ansicht sind. Eine Antriebsfeder dafür ist der Wunsch, in der Gruppe akzeptiert zu werden. "Uns interessierte, inwiefern bereits Kleinkinder ihre öffentliche Meinung an der Mehrheitsmeinung ausrichten", sagte der Max-Planck-Forscher Daniel Haun. Zusammen mit seinem Kollegen Michael Tomasello führte er dazu eine Studie mit 96 vierjährigen Mädchen und Jungen aus 24 verschiedenen Kindergartengruppen durch.
Bei der Untersuchung erhielten Gruppen von vier Kindern scheinbar identische Bücher, in denen Tierfamilien dargestellt waren. Die linken Seiten zeigten Mutter, Vater und Kind zusammen, rechts war jeweils nur ein Familienmitglied dargestellt. Die Kinder sollten nun bestimmen, um welches Familienmitglied es sich handelte. Aber immer nur drei Kinder hatten tatsächlich identische Bücher, beim vierten war manchmal auf der rechten Seite ein anderes Bild zu sehen. Die Kinder dachten jedoch, dass sie alle die gleichen Bücher vor sich hatten. "Das Kind, welches das abweichende Buch erhalten hatte, wurde mit der aus seiner Sicht völlig falschen Einschätzung dreier Gleichaltriger konfrontiert", erklärte Haun. "Von 24 Kindern passten sich 18 Kinder in einem oder mehreren Fällen dieser mehrheitlichen Einschätzung an, obwohl sie es eigentlich besser wussten."
In einem zweiten Teil der Studie sollten die Kinder die richtige Lösung entweder laut aussprechen oder still darauf zeigen, je nachdem ob eine Lampe leuchtete oder nicht. So konnte nur der Studienleiter, nicht aber die anderen Kinder, die Antwort sehen. Wenn sie ihre Antwort laut aussprechen mussten, übernahmen zwei Drittel der Kinder die Mehrheitsmeinung. Sollten sie hingegen still auf die richtige Antwort zeigen, schloss sich nur knapp die Hälfte der Mehrheit an.
Die Kinder passten also in der Regel lediglich ihre öffentliche nicht aber ihre private Antwort an die Mehrheit an. Das deutet für die Wissenschaftler auf soziale Gründe hin, zum Beispiel die Akzeptanz innerhalb der Gruppe. "Bereits vierjährige Kinder unterliegen einem gewissen Gruppenzwang und beugen sich diesem zum Teil aus sozialen Beweggründen", sagte Haun.
RF/MPG