Katrin Faßnacht-Lee
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18.07.2022
Warum macht Hitze Menschen mit Diabetes mehr zu schaffen?
Jakob: Menschen mit Diabetes bekommen früher oder später Folgeerkrankungen. Dazu gehört auch eine eingeschränkte Abgabe des Schweißes über die Schweißdrüsen. Das heißt, dass bei hohen Temperaturen die Hitzeabgabe im Körper des Diabetikers nur eingeschränkt funktioniert. Da spielen Nervenschädigungen eine Rolle. Auch die sogenannte trockene Hitzeabgabe fällt geringer aus, weil die Blutgefäße weniger fl exibel sind und sich nicht mehr so gut weiten können. Das führt zu einem Hitzestau.
Heißt das, dass die Körpertemperatur steigt?
Jakob: Ja, genau. Es kommt zu Temperaturerhöhungen von bis zu fünf Grad. Das geschieht allerdings nicht schnell wie bei Fieber, sondern eher langsam. Eine hohe Körpertemperatur erhöht wiederum das Risiko für einen Hitzschlag, aber auch für plötzlichen Herztod oder Schlaganfall. Hitze führt bei Menschen mit Diabetes also zu einer erhöhten Sterblichkeit. Das trifft sowohl für allmählich steigende, moderate Temperaturen als auch für Hitzewellen zu.
Spielen noch andere Faktoren eine Rolle?
Jakob: Auch bei starkem Übergewicht ist der Wärmeaustausch beeinträchtigt. Das erklärt sich so: Je dünner der Mensch, desto größer ist die Köperoberfläche im Verhältnis zum Köpervolumen. Da adipöse Menschen viel mehr Volumen haben, ist die trockene Wärmeabgabe im Vergleich reduziert. Außerdem wird die Wärme besser gespeichert und schlechter abgegeben.
Und Flüssigkeitsmangel?
Jakob: Der spielt auch eine Rolle. Gerade ältere Menschen trinken oft wenig und nehmen Durst und Flüssigkeitsmangel oft schlecht wahr. Es kommt zu Kreislaufproblemen, weil sie dehydriert sind. Auch bei Diabetes-Medikamenten muss man genau hinschauen. Sogenannte SGLT-2-Hemmer, bei denen der Zucker über die Niere ausgeschwemmt wird, können mitunter einen Flüssigkeitsmangel verstärken. Heiße Temperaturen können auch unmittelbaren Einfluss auf die Blutzuckereinstellung haben.
Warum?
Jakob: Da liegt der Fokus auf den insulinpflichtigen Patienten. Denn Insulin kann bei Temperaturen über 30 Grad seine Wirkung verlieren. Und das passiert schnell, etwa bei Pumpenträgern oder wenn das Insulin im Auto oder in der Sonne liegt. Das Problem ist, dass man es dem Insulin gar nicht ansieht. Und wenn man eine bestimmte Menge Insulin spritzt, das nicht so gut wirkt, entsteht mitunter eine Überzuckerung, ohne dass es der Patient auf das Insulin zurückführt. Dann spritzt er das gleiche Insulin vielleicht nochmal und es kann zu schweren Blutzuckerentgleisungen kommen.
Wie kann man das Insulin schützen?
Jakob: Zum Beispiel durch Kühlboxen. Oder es gibt ganz neu Pen-Schutzkappen. Diese funktionieren mit Akku und lassen sich aufladen. So eine Kappe kostet rund 70 Euro. Leider übernehmen die Krankenkassen die Kosten noch nicht.
Kann es auch zu Unterzuckerungen kommen?
Jakob: Ja, auch das. Das liegt daran, dass die Durchblutung der Haut bei Hitze erhöht ist und so kommt das Insulin mitunter schneller an. Das schnellere Anfl uten von Insulin kann zu Unterzucker führen. Erfahrene Typ-1-Patienten reduzieren bei Hitze selbst schon ihr Insulin. Aber viele Typ-2-Diabetiker, die nicht so erfahren sind, wissen nicht so gut Bescheid. Sie sollten mit ihrem Diabetologen besprechen, wie sie am besten reagieren. Das kann man beim regelmäßigen Check-up besprechen.
Was empfehlen Sie generell, wenn eine Hitzewelle droht?
Jakob: Zunächst: ausreichend trinken, Sonne meiden, Haut bedecken und luftige Kleidung tragen. Kalte Fußbäder tun zusätzlich gut. Vermeiden Sie große Anstrengungen und gehen Sie besser in den Morgen- oder Abendstunden raus. Es empfiehlt sich auch leichte Kost, wobei man bei Insulintherapie natürlich beachten muss, wenn sich die Kohlenhydrate reduzieren. Für mögliche Unterzuckerungen nie die Not-Kohlenhydrate vergessen und lieber einmal mehr messen als normal. Denn die Symptomeeiner Unterzuckerung wie Schwitzen, Herzrasen und Unwohlsein werden bei Hitze oft falsch gedeutet. Außerdem wie schon erwähnt, das Insulin richtig lagern. Wer noch unsicher ist, sollte unbedingt rechtzeitig seinen behandelnden Arzt ansprechen.
Vielen Dank für das Gespräch!