01.08.2012
Fernsehmoderator Reinhold Beckmann hat sich entschieden. Ebenso der Sänger Peter Maffay und der Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen. Für ein "Ja" auf dem Organspendeausweis. Drei Viertel der Deutschen hingegen haben noch keine Entscheidung getroffen und überlassen dies im Ernstfall ihren Angehörigen.
Die Folge: Mehr als 11.000 Menschen standen allein in Deutschland Anfang dieses Jahres auf der Warteliste für eine Organtransplantation. Doch im Durchschnitt führen Ärzte kaum halb so viele Transplantationen auch durch. Es fehlen passende Organe.
An Herz & Co. bislang gescheitert
Grund für Forscher, nach Alternativen zu suchen. Sie möchten Organe im Labor herstellen. Doch an Herz, Leber, Niere und Co. sind sie bislang gescheitert. Ein Grund: Es fehlt an künstlichen Gefäßen, die das Kunstorgan mit Nährstoffen versorgen. Doch fünf Fraunhofer-Institute haben sich im Jahr 2009 zusammengeschlossen, um künstliche Blutgefäße zu entwickeln.
Blutgefäße kann man drucken
Tissue Engineering heißt diese Technik. "Man versucht, natürliche Gewebe im Labor zu züchten und diese für Transplantationen zu verwenden. Erste Erfolge können schon ausgewiesen werden, noch ist aber viel Forschungsbedarf vorhanden", so das Bundesamt für Gesundheit. Das Problem der Forscher: Es schien unmöglich, so kleine und komplexe Strukturen wie Blutgefäße nachzubauen. Hilfe kam schließlich aus zwei Techniken, die die Industrie verwendet. Bereits heute erzeugt ein 3-D-Drucker sehr schnell organisches Material, trägt es in Schichten auf und verbindet es an bestimmten Stellen. Damit entstehen bereits feine Strukturen, allerdings noch zu ungenau für ein künstliches Organ.
Die Wissenschaftler kombinierten diese Technik mit einer Methode, die den komplizierten Namen Multiphotonenpolymerisation trägt. Sie verwendet sehr dünne Laserstrahlen. Sie treffen auf einen speziellen Kunststoff. Im Schussfeld bringt der Laser sehr kleine Bausteine dazu, sich zu verbinden. Diese Reaktion lässt sich so präzise steuern, dass die Forscher feinste Strukturen nach einem dreidimensionalen Bauplan aufbauen können. "Die einzelnen Techniken funktionieren schon und arbeiten momentan in der Testphase. Der Prototyp für die kombinierte Anlage ist im Aufbau", freut sich Projektleiter Dr. Günter Tovar vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart.
Wenn aus Tinte Miniröhren werden
Damit die späteren künstlichen Blutgefäße flexibel und elastisch sind und mit dem natürlichen Gewebe harmonieren, haben die Forscher um Tovar eine spezielle Tinte entwickelt. Sie bauten körpereigene Stoffe wie das Heparin und bestimmte Eiweiße in die Innenwände ein. Dort können sich Körperzellen anheften, die im Körper die innerste Wandschicht eines jeden Gefäßes bilden. "Die Auskleidung ist wichtig, damit die Bestandteile des Blutes nicht kleben bleiben, sondern weitertransportiert werden", erklärt Tovar. "Nur wenn es gelingt, eine komplette Schicht lebender Zellen anzusiedeln, kann das Gefäß so arbeiten wie seine natürlichen Vorbilder und die Nährstoffe an ihr Ziel dirigieren." Vor dem Drucken kommt das genaue Berechnen des Verlaufs und des Aufbaus der künstlichen Gefäße. Sonst fließt das Blut zu langsam, oder es staut sich sogar.
Noch stehen die Fraunhofer-Wissenschaftler am Anfang dieser neuen Technologie. Doch sie glauben, dass ihre Erkenntnisse die Grundlage für weitere Entwicklungen bieten. "Die Gefäßsysteme illustrieren sehr schön die Möglichkeiten dieser Technologie, aber das ist noch längst nicht alles, was geht", betont Tovar. Mit den so erzeugten Blutgefäßen ließen sich künstliche Organe komplett an einen Kreislauf anbinden und mit Nährstoffen versorgen. Diese eignen sich zwar noch nicht für eine Transplantation. Dafür lassen sie sich für Tests nutzen und ersetzen so Tierversuche. Auch die Behandlung von Bypass-Patienten mit künstlichen Gefäßen sei denkbar. Doch Tovar gibt zu: "Bis Organe aus dem Labor mit eigenen Blutgefäßen tatsächlich implantiert werden können, wird es noch einige Zeit dauern.
Peter Erik Felzer