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17.06.2022
Menschen, die sich und ihre eigene Leistung systematisch unterschätzen, leiden am sogenannten Hochstapler-Phänomen. Sie führen jeglichen Erfolg auf äußere Umstände oder pures Glück zurück und leben in der ständigen Angst, dass ihr vermeintlicher Betrug auffliegt. Deutsche Forscher haben untersucht, wer besonders häufig betroffen ist.
Dass Menschen ihre Fähigkeiten hin und wieder infrage stellen, ist normal. „Ein gesundes Maß an Reflexion und Zweifel kann vor unüberlegten Handlungen schützen“, sagt Kay Brauer vom Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Es gibt jedoch Menschen, die trotz guten Noten oder positivem Feedback am Arbeitsplatz dauerhaft von Selbstzweifeln geplagt sind. „Eigene Erfolge schreiben sie externen Umständen zu, dass sie etwa Glück hatten oder ihre Leistung von anderen massiv überschätzt wird. Misserfolge hingegen werden stets auf eigenes Versagen zurückgeführt", so Brauer. Diese Menschen leiden am sogenannten Hochstapler- oder Impostor-Phänomen.
In einer neuen Studie hat Breuer das Phänomen gemeinsam mit seinem Team nun erstmals in einer realen Situation untersucht: 76 Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvierten verschiedene Intelligenzaufgaben und bekamen dafür unabhängig von ihrer wirklichen Leistung positive Rückmeldungen. Anschließend wurden sie gefragt, worauf sie die vermeintlich oder tatsächlich guten Ergebnisse zurückführen.
Die Untersuchung führte zu zwei Ergebnissen: Erstens steht der selbstberichtete Grad des Hochstapler-Phänomens in keinem Zusammenhang mit der gemessenen Intelligenz. Zweitens bestätigte der Test die Annahme, dass Menschen mit Neigung zum Hochstapler-Phänomen ihre objektiv gemessene Leistung überdurchschnittlich stark abwerten und positive Resultate externen Ursachen wie Glück und Zufall, jedoch nicht der eigenen Fähigkeit zuschreiben. "Diese Ergebnisse sind zudem völlig unabhängig von Alter und Geschlecht", sagt Brauer. Die Studie erschien im Fachjournal "Personality and Individual Differences".
"Das Impostor-Phänomen wird nicht als psychische Krankheit definiert. Dennoch zeigen Menschen, die darunter leiden, eine höhere Anfälligkeit für Depressionen", sagt Brauer, der hofft, durch die neue Studie den Weg für mögliche Interventionen zu ebnen. Maßgeschneiderte Trainingsprogramme könnten etwa dabei helfen, Selbstwertgefühl, Arbeitszufriedenheit und das allgemeine Wohlbefinden der Betroffenen zu verbessern.