Viele Menschen mit einer Krebserkrankung möchten ihre Behandlung nicht komplett in die Hände anderer legen. Sie suchen nach etwas, womit sie selbst gegen den Krebs angehen können. Die Universitätsklinik Frankfurt hat eine Beratungsstelle eingerichtet, die den Patienten dabei hilft, in der Vielfalt der Angebote die Spreu vom Weizen zu trennen.
Der Markt für angebliche Heilmittel gegen Krebs ist riesig: Von Vitaminen über spezielle Diäten und Trainingsmethoden bis zu gemahlenen Wurzeln aus Fernost reicht die Spannbreite. Und spätestens in obskuren Diskussionszirkeln im Internet findet jede Methode ihre Fürsprecher. Hier den Überblick zu behalten und Sinnvolles von Nutzlosem zu trennen, ist keine Aufgabe, die sich mal eben nebenher erledigen lässt. Frau Dr. med. Jutta Hübner widmet sich ihr tagtäglich. Seit Herbst 2009 leitet sie die Ambulanz für Komplementäre Onkologie am Universitären Centrum für Tumorerkrankungen der Universitätsklinik Frankfurt. In ihrer Sprechstunde berät sie Patienten zu allen Fragen rund um komplementäre Heilmittel gegen Krebs.
Komplementär heißt nicht alternativ
Das Wort "komplementär" bedeutet übersetzt "ergänzend" oder "unterstützend". Hübner legt Wert darauf, dass das nicht mit "alternativer" Heilkunde in einen Topf geworfen wird. "Mir ist die klare Abgrenzung sehr wichtig", betont sie. "Komplementäre Mittel oder Verfahren werden ergänzend zu der gegen den Tumor gerichteten Behandlung eingesetzt. Die meisten sind jedoch noch nicht so weit in Studien überprüft, dass wir uns über ihre Wirksamkeit 100-prozentig sicher wären." Forschungsdaten legten einen positiven Effekt nahe, der allerdings noch nicht allgemein anerkannt sei.
Im Unterschied dazu sieht die Ärztin die nicht-wissenschaftliche Medizin: "Da gehört die alternative Medizin dazu, also Verfahren, die dem Patienten eine Heilung versprechen, wofür aber kein seriöser Beleg existiert."
"Bei jeder Behandlung, auch mit komplementären Maßnahmen, sollte der Nutzen für den Patienten im Vordergrund stehen." Dafür möchte Hübner nur die am besten wissenschaftlich erforschten und geprüften Mittel einsetzen, "egal ob es sich dabei um Mittel aus der Retorte, der Natur oder beispielsweise um Akupunktur handelt".
Das Geld für eigene Studien fehlt
Für eine fundierte Beratung der Patienten braucht die Ärztin solide wissenschaftliche Daten über die verschiedenen komplementären Verfahren. Um auf dem Laufenden zu sein, liest sie regelmäßig und systematisch die neuesten Studien in den einschlägigen Fachzeitschriften und tauscht sich mit Kollegen aus. Auch Internetrecherchen, bei denen sie erfährt, was gerade unter Patienten diskutiert wird, gehören dazu. "Momentan steht Fernöstliches wie Ayurveda oder die Traditionelle Chinesische Medizin hoch im Kurs", verrät Hübner.
Eigene Studien zu komplementären Verfahren sind im Moment noch Zukunftsmusik. "Wir arbeiten darauf hin, aber in Deutschland gibt es zurzeit einfach keine Gelder dafür", erklärt Hübner. In den USA sei das anders. Dort würden an mehreren großen Tumorzentren Studien mit hohem finanziellen Aufwand gefördert.
Wechselwirkungen genau betrachten
Einen zentralen Punkt in vielen ihrer Patienten-Gespräche stellen die Wechselwirkungen komplementärer Präparate mit der Tumortherapie dar. Die Gefahr, dass sich die Mittel untereinander beeinflussen, sei groß, erklärt Hübner. "Es ist besser, dem Patienten zu begründen, warum sich ein Mittel für ihn nicht eignet, und ihm womöglich etwas anderes zu empfehlen, als ihm von vornherein ganz von einer komplementären Therapie abzuraten." Wie man aus anonymen Befragungen weiß, halten sich viele Patienten nicht an solche Verbote. "Verständlich, schließlich geht es um ihr Überleben", sagt Hübner.
Patienten, die nicht die Chance haben, sich über komplementäre Mittel beim Onkologen beraten zu lassen, empfiehlt sie den Gang in die Apotheke. "Der Apotheker kennt die gesamte Medikation und kann zumindest feststellen, ob ein Wechselwirkungsrisiko besteht oder Nebenwirkungen zu erwarten sind. Internetportale oder Drogeriemärkte können das nicht leisten."
Eindeutig positiv: Sport und gesunde Ernährung
Die Frage, um welche Mittel Krebspatienten generell einen Bogen machen sollten, ist nicht einfach zu beantworten. Hübner: "Es gibt Hinweise, die auch Laien erkennen können, zum Beispiel wenn das Mittel angeblich viele Patienten geheilt hat, die von ihren Ärzten ›aufgegeben worden seien‹, wenn das Mittel auch gegen viele andere Krankheiten wie Infektionen oder Allergien wirkt oder wenn es sehr teuer ist." Überdies rät sie entschieden davon ab, Kräutermischungen von unklaren Quellen im Internet zu bestellen. "Die können hoch problematisch mit Schwermetallen, Pestiziden oder anderen Giftstoffen verseucht sein."
Was eindeutig positive komplementäre Maßnahmen angeht, braucht Hübner nicht lange zu überlegen: "Sport und Bewegung. Die helfen in jeder Lebenslage. Das haben viele Studien gezeigt." Genauso bewertet sie gesunde Ernährung, die viele Omega-3-Fettsäuren enthält. "Aber bitte keine spezielle Krebsdiäten!" Diese seien oft zu einseitig.