Herr Dr. Kirschner, Sie laufen selbst Marathon. Benutzen Sie auch Kompressionsstrümpfe?
Kirschner: Ja, sowohl bei den Marathonläufen als auch, wenn ich beim Training längere Strecken laufe.
Warum tragen sie diese?
Kirschner: Die Strümpfe besitzen für mich mehrere Vorteile. Durch sie treten weniger Schwellungen und Stauungen an den Beinen auf. Ein weiterer Pluspunkt: Die Beine regenerieren sich schneller; sie kommen also besser mit der Trainingsbelastung klar. Und Kompressionsstrümpfe verbessern die Leistung im Wettkampf.
Was ist der Grund für diesen Effekt?
Kirschner: Das liegt am Druck, den diese Strümpfe aufbauen. Wir Mediziner sprechen vom sogenannten Kompressionseffekt. Dieser Druck verbessert zum Beispiel die Leistung der Muskelpumpe um rund ein Drittel. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. Wichtig ist, die Strümpfe nicht gleich nach dem Training auszuziehen, sondern auch noch eine halbe Stunde danach zu tragen.
Bestätigen Studien diesen positiven Effekt?
Kirschner: Ja, es gibt eine Reihe von Studien. Unter anderem konnte kürzlich eine Doktorarbeit an der Deutschen Sporthochschule in Köln die genannten Effekte nachweisen.
Gibt es einen Unterschied zu medizinischen Kompressionsstrümpfen, wie sie zum Beispiel Apotheken anpassen?
Kirschner: Der Unterschied zu medizinischen Kompressionsstrümpfen liegt im Druckverlauf zum Knie hin. Diese komprimieren unten, also an Fuß und Knöchel, am stärksten. Nach oben hin nimmt dieser Druck trichterförmig gleichmäßig ab. Bei Sport-Kompressionsstrümpfen werden dagegen Fuß und Knöchel voll komprimiert, während der gesamte Rest des Strumpfes nur eine geringere Kompression von circa 80 Prozent ausübt.
Darf jeder Sportler Kompressionsstrümpfe tragen?
Kirschner: Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, wenn keine bestimmten Vorerkrankungen vorliegen. Hierzu zählt besonders die periphere arterielle Verschlusskrankheit, also Durchblutungsstörungen. Auch bei offenen Wunden oder Infektionen an den Beinen und bei Unverträglichkeiten auf das Material der Strümpfe rate ich vom Einsatz ab. Zudem sollten Patienten mit einer hochgradigen Herzschwäche auf die Kompression verzichten. Allerdings sind sie aufgrund ihrer Krankheit auch kaum in der Lage, längere Läufe oder gar einen Marathon zu bewältigen.
Profitieren auch Patienten mit Venenerkrankungen von diesen Sportstrümpfen?
Kirschner: Patienten mit Venenerkrankungen empfehle ich auf jeden Fall eine Sport-Kompression. Gerade beim Laufen spielen die Sportstrümpfe ihre Vorteile gegenüber medizinischen Kompressionsstrümpfen aus. Sie besitzen eine anatomische Form, an der Fußsohle gibt es eine Wattierung und an der Achillessehne ist der Strumpf verstärkt. Vor allem beim Schwitzen nehmen Patienten die Sportstrümpfe als angenehmer wahr.
Können Kompressionsstrümpfe beim Sport auch helfen, Venenerkrankungen vorzubeugen?
Kirschner: Ich kenne keine Studien dazu. Aber grundsätzlich beugt jeder Sport Venenerkrankungen vor. Ob mit oder ohne Kompressionsstrümpfen.
Tun es auch Exemplare vom Discounter?
Kirschner: Ich empfehle Sportlern mit Venenerkrankungen, besonders auf die Qualität zu achten. Es macht meines Erachtens einen Unterschied, ob ich einen Strumpf beim Discounter kaufe oder ein Sportler-Modell trage, das von einem Hersteller kommt, der auch medizinische Kompressionsstrümpfe herstellt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Peter Erik Felzer.