Alexandra Frank
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16.03.2022
Sandra Starke, Mittelstürmerin beim VfL Wolfsburg, hat sich eigentlich immer als Teamplayerin verstanden. Aber als sie vor rund 3,5 Jahren als 24-jährige Typ-1-Diabetes diagnostiziert bekam, sah sich die Fußballspielerin ungewollt in der Rolle einer Einzelkämpferin – nicht sportlich, aber medizinisch. "Ich war wirklich ratlos", sagt sie. "Und habe mich gefragt, ob ich überhaupt noch als Profifußballerin aktiv sein kann."
Die extreme körperliche Anstrengung, Aufregung, Stresshormone und Adrenalinschübe bei Wettkämpfen: All dies, so fand sie schnell heraus, hatte teilweise extreme Auswirkungen auf Zuckerspiegel und Leistungsfähigkeit. Doch das Diabetesteam der Klinik, in der Starke damals behandelt wurde, wusste auf ihre Fragen keine Antworten. "Sie kannten sich zwar mit Breiten- und Freizeitsport aus, aber hatten keinerlei Erfahrung mit Profisportlern", so die Fußballerin.
Kein Einzelfall, wie Ulrike Thurm vom Projekt "Challenge D" weiß. Vielfach stehen Leistungssportler allein da und sind verunsichert, wenn es um den Spagat Diabetesmanagement und Talententfaltung geht. Genau da will die 2021 ins Leben gerufene Initiative "Challenge D" anknüpfen, ein Kooperationsprojekt zwischen dem Diabetesteam der Berliner Charité und der Vereinigung von Sportlern mit Diabetes (IDAA), deren Gründerin und Vorsitzende Ulrike Thurm ist.
Praxistipps für spezielle Situationen
"Neben Talent, Ehrgeiz und Disziplin brauchen Profi- oder Leistungssportler auch eine individuelle Diabetesbetreuung", sagt sie. Schließlich sollen diese ihren Sport ausüben können, ohne durch unerwünschte Glukoseschwankungen daran gehindert oder in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu werden. Das Projekt, so Thurm, bündele medizinische Expertise und gelebte Erfahrung. Die Patienten – und bei Bedarf ihre Diabetesteams – werden durch das hochspezialisierte Charité-Team telemedizinisch unterstützt, profitieren aber auch durch den Austausch mit anderen Sportlern, die bereits kritische Hürden im Leistungs- oder Profisport genommen haben.
Im Gespräch können sie zum einen praktische Fragen klären, etwa wie man bei einem Ironman-Triathlon möglichst viele Kohlenhydrate in eine Trinkflasche packen kann. Oder wie man Sensor und Insulinpumpe bei komplexen Sportarten wie Bergsteigen oder Tauchen sichert. Zum anderen geht es natürlich auch um die eigene Leistungsoptimierung. Dazu laden die Teilnehmer ihre Daten hoch: Glukosewerte, Herzfrequenzmessungen, Ernährungs- und Trainingsprotokolle. So kann geschaut werden, wie der Körper auf besondere Trainings- und Wettkampfmomente reagiert. "Durch die Betreuung von Ulrike Thurm bin ich heute gut eingestellt", bestätigt Starke. "Eine enorme Erleichterung."
Austausch auf jedem Niveau
Auch Menschen, die mit Diabetes aufgewachsen sind, profitieren aus der Mischung von medizinischer Begleitung und gegenseitigem Austausch. Einer davon ist der 27-jährige Hockey-Nationalspieler und Medizinstudent Timur Oruz, der im Alter von fünf Jahren quasi mit Diabetes in den Sport hineingewachsen ist. "Als Profisportler ist mein Körper mein Kapital", sagt er. Genauso wie er auf die Arbeit mit seinen Hockey-Trainern sowie mit speziellen Sprint-, Kraft- und Ausdauerexperten vertraut, findet er ein Coaching in puncto Diabetes unerlässlich. "Das ist schließlich ein Teil von mir, und nur mit einer perfekten Diabeteseinstellung kann ich sportliche Höchstleistungen vollbringen", sagt er. Oruz ist außerdem der Austausch zu (Nachwuchs-) Sportlern wichtig. "Ich möchte ihnen zeigen: 'Du kannst auch mit Diabetes ein erfolgreicher und leistungsstarker Sportler sein.'"