Was kann man tun, um die Rückenmuskulatur zu kräftigen?
Klein: Mit dem richtigen Training lassen sich die Rückenmuskeln aufbauen. Eins muss jedoch von vornherein klar gesagt werden: Training heißt, ich muss mich anstrengen. Deshalb mag ich Begriffe wie "sanftes Krafttraining" nicht, denn sie beinhalten, dass man mit wenig Anstrengung etwas erreichen kann. Grundsätzlich gibt es zwei wichtige Dinge, die zu beachten sind: Zum einen muss der Muskel – und zwar egal welcher – ermüdet werden. Nur dann gibt es einen Wachstumsreiz. Und zum anderen muss man regelmäßig etwas tun. Denn nach der Ermüdungsphase kommt der Muskel in eine Phase der sogenannten Überkompensation. Das ist nach etwa 48 bis 72 Stunden der Fall. Der Muskel hat dann einen relativ höheren Status im Vergleich zu vorher und genau hier müsste der neue Belastungsreiz einsetzen.
Was bedeutet das für das Training?
Klein: Es gibt unterschiedliche Auffassungen, die auch von der Wissenschaft unterschiedlich belegt sind. Klassischerweise macht man im Fitnessstudio an Geräten jeweils drei Sätze à 15 Wiederholungen. Das ist gut, aber wenn man das für verschiedene Muskeln durchführen möchte, ist es sehr zeitaufwändig. Eine Variante dazu stellen spezielle Trainingsangebote dar, bei denen man nur einen Satz mit relativ schweren Gewichten durchführt, und zwar so schwer, dass man maximal zehn bis zwölf Wiederholungen schafft. Auf diese Weise trainiert man bei 70 Prozent der Maximalkraft, jedoch in kürzerer Zeit. Ich bin durchaus ein Freund von gerätegestütztem Training. Mit Hilfe der aufgelegten Gewichte lässt sich die Belastung nachvollziehbar steigern. Außerdem können Muskeln isoliert und somit ganz gezielt trainiert werden. Das kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn man Rückenschmerzen hat und den Rückenmuskel spezifisch trainieren möchte. Aber ein solches Gerätetraining spiegelt natürlich nicht die Bewegungen im Alltag wider. Hier ist es sinnvoll, zusätzlich Kombinations- oder Stabilisationsübungen durchzuführen, bei denen Muskelketten beansprucht werden, wie etwa beim Pilates. Aus medizinischer Sicht wäre eine Kombination von beidem wünschenswert.
Muss man unbedingt ins Fitnessstudio?
Klein: Nein, man kann natürlich auch in den eigenen vier Wänden trainieren. Manche haben ja sogar Geräte zu Hause. Außerdem gibt es zum Beispiel noch sogenannte Schlingentrainer, das sind flexibel gelagerte Gurte, die sich an der Decke oder der Tür anbringen lassen. Und Übungen mit Eigenkraft sind ebenfalls möglich. Allerdings sind sie anfälliger für Fehler. Nehmen wir zum Beispiel die typische Übung im Vierfüßlerstand bei der Rückenschule, bei der das rechte Bein und der linke Arm angehoben werden und umgekehrt. Eine gute Übung, aber wenn jemand Schmerzen hat oder hatte oder es einfach nicht gewohnt ist, verdreht er vielleicht das Becken oder spannt die Pomuskulatur an. Abgesehen davon besteht die Schwierigkeit beim Training zu Hause darin, es über längere Zeit durchzuhalten. Oft hält die erste Begeisterung nur vierzehn Tage an, und dann ist doch das Sofa verlockender.
Und wie sieht es mit Rückenschule aus?
Klein: Rückenschulen sind zum Einstieg oder auch zur Motivation durch das Training in der Gruppe sinnvoll. Allerdings besteht die primäre Aufgabe einer Rückenschule nicht im Krafttraining, sondern neben den Übungen fördert sie die Kenntnis für rückenschonende Verhaltensweisen im Alltag und das Bewusstsein für schädigende Bewegungen bei der Arbeit und zu Hause. Somit sollte es nicht heißen Rückenschule oder Krafttraining, sondern Rückenschule und Krafttraining!
Helfen Übungen für kleinere, tiefer liegende Rückenmuskeln etwa auf einem Wackelbrett, um Rückenschmerz vorzubeugen?
Klein: Übungen auf dem Wackelbrett eignen durch ihre koordinativen Trainingselemente grundsätzlich dafür, einen Beitrag zur Vermeidung von Rückenschmerzen zu leisten. Um die kleinen Rückenmuskeln intensiver anzusprechen, wären jedoch höhere Frequenzen zum Beispiel auf Vibrationsplatten noch effektiver.
Gibt es auch Übungen, die schlecht für den Rücken sind?
Klein: Es gibt keine Übung, die per se schlecht ist. Das gilt selbst für das Gewichtheben, immer unter der Voraussetzung, dass man es ordentlich und achsengerecht ausführt. Schädlich wird es erst, wenn man etwa mit krummem Rücken eine Hantel hebt. Deshalb würde ich sagen, es gibt keine schlechte Übung, es gibt nur eine schlechte Bewegungsausführung. Und vielleicht noch eine Sache: Wer schon Rückenschmerzen hat, sollte nicht gegen den Schmerz trainieren.
Was müssen ältere Menschen beachten?
Klein: Bei älteren Menschen stellt sich unter anderem die Frage nach der Begleitmedikation. Bei einem Bluthochdruck-Patienten zum Beispiel muss der Blutdruck gut eingestellt sein. Ansonsten hat sich aber gezeigt, dass Krafttraining bei vielen internistischen Erkrankungen einen positiven Einfluss haben kann. Es gibt wenige Erkrankungen, bei denen man auf Krafttraining verzichten sollte. Darunter fallen akute Entzündungen, frische Knochenbrüche oder auch Tumorerkrankungen. Grundsätzlich lässt sich die Muskulatur bis ins hohe Alter trainieren. Es gibt Studien, die belegen, dass das selbst 90-Jährige noch problemlos leisten können. Es kommt zwar nicht zu einem Muskelaufbau wie bei einem 20-Jährigen, aber für die funktionelle Leistungsfähigkeit lassen sich sehr gute Werte erzielen. Ältere Menschen sollten sich immer beraten lassen, was möglich ist und was man machen darf.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Hanke Huber.