Katrin Faßnacht-Lee
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01.10.2021
"Weißheitszähne sind ein Überbleibsel der Evolution", erläutert Bekes von der Universitätszahnklinik in Wien. Vor mehreren tausend Jahren hatten Menschen einen größeren Kiefer mit starken Backenzähnen zum Zerkleinern von rohem Fleisch, Wurzeln und Nüssen. "Heute fällt die untere Gesichtspartie kleiner aus. Die Anzahl der Zähne ist aber gleichgeblieben. Daher passen die Weisheitszähne oft nicht so recht in den Kiefer hinein." Dennoch betont Bekes: Weisheitszähne muss man nicht zwingend ziehen.
Gründe fürs Ziehen
Während bei Kindern der Zahnwechsel und Durchbruch der ersten beiden Backenzähne mit ungefähr zwölf Jahren abgeschlossen ist, bilden sich die Weisheitszähne erst etwa in diesem Alter langsam aus. Das beginnt an den Zahnhöckerchen, dann kommt die Krone und zum Schluss bildet sich die Wurzel. "Der Durchbruch erfolgt erst zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr", erläutert Bekes. Die Entscheidung, ob die Weisheitszähne im Mund verbleiben können oder gezogen werden müssen, erfolgt aber mitunter schon früher. Denn manchmal machen die großen Backenzähne schon vor dem Durchbruch durch das Zahnfleisch Probleme. Sie können ein Druckgefühl im Kiefer auslösen, sorgen für Schwellungen oder verschieben sogar die vorhandenen Zähne. "Es kann aber auch sein, dass die Zähne von vornherein schräg verlagert sind", so die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde. "Dann muss man prüfen, in welche Richtung sie stehen." Wächst die Wurzel in Richtung eines nahe bei ihr gelegenen großen Nervs, ist das auch ein Grund, früh tätig zu werden. Zu Problemen kann es aber auch noch nach dem Durchbruch kommen. Etwa, wenn der Zahn nicht vollständig herauswächst und ein Teil weiterhin mit Zahnfleisch bedeckt bleibt. Bekes: "Dann lässt sich der Zahn sehr schlecht reinigen. Es können schmerzhafte Entzündungen oder auch Karies entstehen."
Verfahren und Risiken
"Wenn wir im jugendlichen Alter sehen, dass der Zahn schräg verlagert ist, nie rauskommen wird oder kein Platz ist, greift der Zahnarzt möglichst frühzeitig ein", erläutert Bekes. Das lässt sich auf Röntgenbildern erkennen, die Zahnärzte in regelmäßigen Abständen anfertigen können. Eltern sollten sich diese ruhig auch im Einzelfall zeigen und erklären lassen. Empfiehlt der Arzt tatsächlich, den Zahn zu entfernen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: "Ist der Zahn schon ein wenig durchgebrochen, fällt das Ziehen relativ leicht. Das kann der Zahnarzt in der Regel mit einer lokalen Betäubung." Etwas komplizierter sei der Eingriff, wenn der Zahn noch komplett vom Knochen umschlossen sei. Diesen müsse ein Zahnchirurg oder ein Zahnarzt mit chirurgischer Erfahrung durchführen. Das ambulante Ziehen des Zahns mit lokaler Betäubung zahlt in der Regel die gesetzliche Krankenkasse. Die Kosten für andere Verfahren oder Formen der Betäubung lässt sich im Einzelfall im Vorfeld klären.
Wie andere chirurgische Eingriffe, birgt auch die Weisheitszahn-OP gewisse Risiken, die aber in den meisten Fällen sehr gering sind. Allgemein können Wundinfektionen oder Blutungen auftreten. Während des Eingriffs selbst besteht die Möglichkeit einer Verletzung von Nerven oder Blutgefäßen, was wiederum zu Blutungen und meist vorübergehenden Taubheitsgefühlen an der Zunge oder im Gesicht führen kann. Das Risiko hängt vom Umfang des Eingriffs ab.