»Der Organismus stößt seine Zähne ab, um eine Entzündung einzudämmen.« Die These klingt gewagt. Dr. Giesbert Schulz-Freywald, Vizepräsident der Landeszahnärztekammer Hessen, äußerte sie im Rahmen eines Fortbildungsvortrages vor Apothekern. Die so begradigte Front lasse Entzündungsreaktionen weniger Angriffsfläche.
So weit muss es jedoch nicht kommen, wenn man rechtzeitig gegensteuert. Dass Vorbeugung nützt, beweist ein anderes früher häufig gesehenes Krankheitsbild, die Karies. »Die unter 30-Jährigen haben heutzutage nichts: keine Karies und keine Füllungen «, erläuterte Schulz-Freywald. Regelmäßige Pflege und die Versiegelung der Zähne mit Fluoridlack haben dafür gesorgt.
17 Millionen Deutsche mit Parodontitis
Bei den Entzündungen des Zahnhalteapparats ist ein solcher Erfolg bislang ausgeblieben: 17 Millionen Deutsche leiden an Parodontitis. Je älter der Mensch, desto häufiger. Auch manche Erkrankungen und manche Arzneimittel setzen dem Halt der Zähne zu: Wenn der Speichel spärlicher fließt, gehen die Zähne eher kaputt. Denn er besitzt eine reinigende Funktion für den Mundraum. Die gute Nachricht: Eine Parodontitis entsteht nicht über Nacht. Sie bildet sich aus einer Zahnfleischentzündung, fachsprachlich Gingivitis, und die ist umkehrbar.
Das zeigte unter anderem eine kleine Studie aus Malmö. Eine Gruppe von Studenten durfte sich 20 Tage lang die Zähne nicht putzen. Es bildet sich eine Gingivitis. Danach kamen Zahnbürste und Mundwasser wieder zum Einsatz. Kaum zehn Tage später waren Beläge und Entzündungen wieder verschwunden.
Normalerweise keine Schmerzen
Eine Parodontitis kann Symptome wie Zahnfleischbluten, Schwellungen, Sekret aus den Zahnfleischtaschen und Mundgeruch verursachen. Außer bei besonders aggressiven, weit fortgeschrittenen Formen verspüren die Betroffenen jedoch keine Schmerzen. Die Entzündung macht sich aber beim Kauen bemerkbar. Das Bindegewebe, das den Zahn umgibt, schwillt an und erhöht ihn um einen Mikrometer. Das sei auch der Grund, warum man ihn beim Kauen besonders spürt, teils auch schmerzhaft, erläuterte der Zahnmediziner.
Das ist auch ein Warnsignal. Ist die Stelle im Mund sensibilisiert, meidet man sie gern beim Putzen. Doch das gibt den gefürchteten Belägen nur noch mehr die Chance, sich zu vermehren. Beläge unterhalb des Zahnfleischrands erwischt man zudem mit der Zahnbürste nicht. Da ist regelmäßige professionelle Zahnreinigung gefragt. Bei ihr handele es sich um eine echte Erhaltungstherapie, so Schulz-Freywald. Zudem könnten die bakteriellen Erreger auch im Innern des Körpers, zum Beispiel am Herzen, Entzündungsreaktionen hervorrufen.