"Von den Möglichkeiten dieser wenig belastenden Früherkennung profitieren viele Patienten", freut sich Professor Dr. Nicole Eter von der Universitäts-Augenklinik Münster. Für die Diagnose genügt oft schon die Spaltlampe, ein beleuchtetes Spezialmikroskop. Bereits das Aussehen der Hornhaut weckt mitunter den Verdacht, dass etwas nicht stimmt. "Beispiele sind sogenannte Speicherkrankheiten", erklärt Eter. Bei ihnen scheidet der Körper bestimmte Stoffe nicht mehr aus und sie sammeln sich an.
Muster und Ringe auf der Hornhaut
Das kann etwa mit Kupfer passieren. Verarbeitet die Leber das Metall nicht mehr richtig, sieht der Augenarzt einen grünlichen, manchmal bräunlichen Ring am Rand der Hornhaut. Bei anderen Leiden tauchen cremefarbende, wirbelartige Muster auf. Und auch beginnende Wechseljahre zeigen sich häufig an der Hornhaut, da die Frauen oft Probleme mit trockenen Augen haben.
Tiefer geht der Blick mit der Spaltlampe, wenn es um Herz-Kreislauf-Leiden geht. Augenärztin Eter: "Nirgends können Ärzte Blutgefäße so leicht und für den Untersuchten so wenig belastend betrachten." Der Zustand der feinen Blutgefäße, die die Netzhaut des Auges versorgen, lässt Rückschlüsse auf das gesamte Blutgefäß-System zu. Sie verraten zum Beispiel etwas über das Vorliegen einer Zuckerkrankheit.
Auf Heinos Spuren
Ein weiterer Schwerpunkt: Erkrankungen, bei denen ein fehlgeleitetes Immunsystem den eigenen Körper attackiert. Dies geschieht etwa beim Schilddrüsenleiden Morbus Basedow. Bei vielen Betroffenen treten die Augen hervor. Ein bekanntes Beispiel ist der Schlagersänger Heino, der dies mit seiner markanten Sonnenbrille verbirgt. Bei der Multiplen Sklerose berichten viele Erkrankte über Sehstörungen oder Probleme bei Augenbewegungen.
In manchen Fällen hinterlassen nicht nur Krankheiten, sondern auch Medikamente ihre Spuren im Auge. Eter: "Einige Nebenwirkungen können so schwerwiegend sein, dass es notwendig wird, das entsprechende Medikament abzusetzen." Zu den Wirkstoffen, die Augenärzte wachsam werden lassen, gehören:
- Amiodaron: Mit diesem Mittel lassen sich Herzrhythmusstörungen behandeln. "Ein bis zwei Prozent der Patienten reagieren auf Amiodaron mit einer Erkrankung des Sehnervs, die zu Gesichtsfeldausfällen führt. In diesen Fällen muss das Medikament abgesetzt werden", warnt Eter.
- Chloroquin: Dieser Wirkstoff wird zur Vorbeugung und Therapie einiger Malariaformen und zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt. "Dabei können allerdings Trübungen der Hornhaut und Veränderungen der Netzhaut auftreten", weiß Eter.
- Glukokortikoide: Sie dienen dazu, Entzündungen im Körper zu bekämpfen. "Am Auge können sie jedoch", so Eter, "den Augeninnendruck ansteigen lassen und damit das Glaukomrisiko erhöhen." Außerdem besteht die Gefahr einer Linsentrübung.
- Tamoxifen: Dieser Wirkstoff kommt bei bestimmten Formen von Brustkrebs zum Einsatz. Eter: "Zu den gelegentlich auftretenden Nebenwirkungen gehören die Linsentrübung und Einlagerungen in der Netzhaut. Seltener entstehen Hornhautveränderungen oder eine Schädigung beziehungsweise Entzündung des Sehnervs, wodurch dann allerdings das Sehvermögen bedroht ist."
Wohin geht die Forschung? Eter wagt einen Blick in die Zukunft: "Die Möglichkeit, mit einer berührungslosen Untersuchung des Auges das Entstehen und Fortschreiten schwerer Krankheiten bereits in einem frühen Stadium festzustellen, möchten Ärzte künftig gerne noch häufiger nutzen können." So gibt es ermutigende Hinweise, Alzheimer mit einer Augenuntersuchung früher zu entdecken.
Warnung vor Irisdiagnose
Eter warnt allerdings vor unseriösen Angeboten wie der Irisdiagnose. Laut ihr sollen die Augen nicht nur Aufschluss über den Zustand des Körpers, sondern auch über den der Seele sowie über den energetischen Zustand eines Menschen geben. Ihr Fazit: "Die wertvolle Augendiagnostik ist klar zu trennen von umstrittenen und wissenschaftlich nicht belegten Methoden wie der Irisdiagnostik."
Peter Erik Felzer